Gestern erschien in dem vom Deutschen Bundestag herausgegebenen Wochenblatt “Das Parlament” eine Kritik von Philipp Bloms Werk “Der taumelnde Kontinent – Europa 1900 – 1914″.
Blom beschreibt in seinem Buch den turbulenten Wandel Europas in der Zeit zwischen 1900 und 1914. Dabei kommt auch die zu dieser Zeit sehr populäre esoterische Strömung mit einem ihrer Hauptvertreter, dem Gründer der Anthroposophie und Waldorfpädagogik Rudolf Steiner zur Sprache.
Der Verfasser der Buchkritik Nikolaus German schreibt wörtlich:
“Was auf die Gestalt Steiners einen Schatten wirft, ist indes weniger seine obskure Esoterik. Bedenklich ist vielmehr – was heute die wenigsten Steiner-Jünger wahrhaben wollen – dass dieser ‘traurige Prophet’ und ‘selbsternannte Visionär’ (Blom) ein ausgesprochener Rassist war, der die Überlegenheit der ‘arischen’ weißen Rasse predigte und die Minderwertigkeit der Schwarzafrikaner, der ‘triebhaften Neger’. Steiner siedelte die ‘Neger’ in seiner hierarchisch aufgebauten Rassenlehre knapp über, manchmal sogar unterhalb der Stufe von Tieren an. Das erweist Steiner als einen Geistesverwandten des national-sozialistischen Rassenwahns und arischen Herrenmenschentums. Freilich hatten sich damals die Ideen von Rasse und Volk in vielen Köpfen festgesetzt, selbst Intellektuelle waren nicht frei davon. Das betrifft auch den weit verbreiteten Antisemitismus.”
Nimmt man Steiners Werke zur Hand, kann man jeden einzelnen Punkt genau belegen. Steiner war ein Rassist, und seine esoterische Lehre – die Anthroposophie ist rassistisch, weil sie Unterschiede der Wertigkeit einzelner Rassen macht. Steiners Rassenlehre ist zudem ein zentraler und unverzichtbarer Bestandteil seiner Anthroposophie. Daran gibt es nichts Schönzuschreiben und Umzudeuten, auch wenn sich die anthroposophische Glaubenskongregation noch so bemüht.
Nachdem dieser Artikel gestern erschienen war, war klar, dass es nicht lange dauern wird, bis empörtes Geschrei aus der Anthroposophenecke erschallen wird. Und tatsächlich, in rekordverdächtiger Zeit meldete sich die PR-Abteilung der Anthroposophen zu Wort:
Befremdet sei man, dass Steiner in einer Zeitung des Bundestages als Rassist bezeichnet würde.
Wörtlich: “Diese Verortung des Anthroposophen und Waldorf-Schulgründers Rudolf Steiner in die Vorläuferschaft des Nationalsozialismus ist sachlich unhaltbar und stellt eine Verletzung tausender sozial engagierter Menschen dar, die sich in Deutschland und in vielen Ländern der Welt heute auf sein Werk beziehen. Die Veröffentlichung einer derart pauschalen und subjektiven Diskreditierung in einem vom Deutschen Bundestag herausgegebenen Organ ist unverständlich.”
Was als Rassismus zu gelten hat, ist also mal wieder anthroposophische Definitionssache.
Wir dürfen gespannt sein, wie lange Germans Buchkritik noch online zu lesen sein wird. Anthroposophen haben durchaus Erfahrung damit, wie man solche missliebigen Texte wieder verschwinden lässt.
So hat es die Anthroposophische Pressure-Group vor einiger Zeit auch geschafft, einen kleinen Abschnitt zur Anthroposophie aus dem von der Hamburger Innenbehörde herausgegebenen “Brennpunkt Esoterik” entfernen zu lassen.
Wie verklärt die Sicht der Anthropsophen auf ihren Übervater Rudolf Steiner ist, zeigt sich auch in der Bezeichnung Steiners als großen Humanisten in obiger Stellungnahme. Vermutlich handelt es sich hier abermals um eine rein anthroposophische Definitionssache. Die aufgeklärte Bevölkerung darf sich indes aber selbstverständlich fragen, ob es für große Humanisten okay ist, wenn man kleine Schulmädchen als “Ichlose Menschen” bzw. als “Dämonen in Menschengestalt” abstempelt …